Steht hinter der Treue zur Überlieferung der Kirche eine falsche geistliche Haltung

Wiederholt, auch in seiner „apostolischen Exhortation Evangelii gaudium“ (http://w2.vatican.va/content/francesco/de/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20131124_evangelii-gaudium.html), wird von Franziskus im Zusammenhang mit der überlieferten Liturgie von der Gefahr einer „spirituellen Weltlichkeit“, eines „Neu-Pelagianismus“ oder einer „egozentrischen Selbstgefälligkeit“ gesprochen. Doch trifft man damit wirklich den Kern des Problems, um das es heute im Kampf um die Überlieferung der Kirche geht?
Es ist nicht falsch, auf diese geistlichen Gefahren aufmerksam zu machen, die oft von den Betroffenen kaum selbst bemerkt werden. Allerdings muss man auch kritisch fragen, wo findet man sie wirklich und konkret im Zusammenhang mit der heutigen Situation in der Kirche? In Evangelii gaudium kann man lesen: „93. Die spirituelle Weltlichkeit, die sich hinter dem Anschein der Religiosität und sogar der Liebe zur Kirche verbirgt, besteht darin, anstatt die Ehre des Herrn die menschliche Ehre und das persönliche Wohlergehen zu suchen. Es ist das, was der Herr den Pharisäern vorwarf: »Wie könnt ihr zum Glauben kommen, wenn ihr eure Ehre voneinander empfangt, nicht aber die Ehre sucht, die von dem einen Gott kommt? « (Joh 5,44). Es handelt sich um eine subtile Art, » den eigenen Vorteil, nicht die Sache Jesu Christi « zu suchen (Phil 2,21) …“
Die Gefahr der „frommen“ Pharisäer ist jedem bekannt, der das Evangelium und die Worte Jesu Christi ernst nimmt. Die Frage ist nur, ob diese Gefahr wirklich vor allem dort lauert, wo man sich auf Christus hin ausrichtet, Ihm treu bleiben will und deswegen gegen die Verfolgung der überlieferten Liturgie und gegen die Veränderung von Christi Worten eintritt und dafür auch selbst Verfolgung und Ausschluss erduldet, - oder ob die Suche nach „menschlicher Ehre“, nach „persönlichem Wohlergehen“, nach dem „eigenen Vorteil“ und „nicht nach der Sache Christi“ eher dort droht, wo man sich der Welt anpasst, die Überlieferung der Kirche hinter sich lässt und so oft nur noch den Schein von „Glauben“ oder „Christ Sein“ bestehen lässt?
Der Text fährt fort: „94. Diese Weltlichkeit kann besonders aus zwei zutiefst miteinander verbundenen Quellen gespeist werden. Die eine ist die Faszination des Gnostizismus, eines im Subjektivismus eingeschlossenen Glaubens, bei dem einzig eine bestimmte Erfahrung oder eine Reihe von Argumentationen und Kenntnissen interessiert, von denen man meint, sie könnten Trost und Licht bringen, wo aber das Subjekt letztlich in der Immanenz seiner eigenen Vernunft oder seiner Gefühle eingeschlossen bleibt. Die andere ist der selbstbezogene und prometheische Neu-Pelagianismus derer, die sich letztlich einzig auf die eigenen Kräfte verlassen und sich den anderen überlegen fühlen, weil sie bestimmte Normen einhalten oder weil sie einem gewissen katholischen Stil der Vergangenheit unerschütterlich treu sind. Es ist eine vermeintliche doktrinelle oder disziplinarische Sicherheit, die Anlass gibt zu einem narzisstischen und autoritären Elitebewusstsein, wo man, anstatt die anderen zu evangelisieren, sie analysiert und bewertet und, anstatt den Zugang zur Gnade zu erleichtern, die Energien im Kontrollieren verbraucht. In beiden Fällen existiert weder für Jesus Christus noch für die Menschen ein wirkliches Interesse …“.
Solche Haltungen sind natürlich gefährlich, auch unter so genannten „Traditionalisten“ (wenn sie sich als solche sehen und nicht aus Treue zu Christus, sondern nur aus nostalgischen Gefühlen der „Stil der Vergangenheit“ anhängen). Doch auch hier stellt sich die Frage, ob nicht die Theoretisierung des Glaubens als auch das „sich letztlich einzig auf die eigenen Kräfte verlassen und sich den anderen überlegen fühlen“ auch als eine typisch modernistische Grundhaltung erkannt und aufgezeigt werden muss, „die Anlass gibt zu einem narzisstischen und autoritären Elitebewusstsein, wo man, anstatt die anderen zu evangelisieren, sie analysiert und bewertet“.
Wären andererseits nicht viele von denen, die „einem katholischen Stil der Vergangenheit unerschütterlich treu“ sind, froh, sie müssten ihre „Energien“ nicht „im Kontrollieren“ verbrauchen und bräuchten sich auch nicht um einen Stil kümmern, sondern könnten in Einheit mit einer wahrhaft katholischen Hierarchie einfach die Frohbotschaft und den Glauben aller Zeiten weitergeben und verkünden?
Haben die Gläubigen, die gegen die Verwüstung der Tradition der Kirche eintreten, diesen Kampf in der Regel aus „Elitebewusstsein“ selbst gesucht oder gar verursacht, weil sie sich dabei in „narzistischer“ oder „autoritärer“ Weise überlegen fühlten? Oder wurde er ihnen schlicht und einfach aufgezwungen durch diejenigen, welche die Tradition und den Glauben der Kirche bekämpften? Und ging es den einfachen Gläubigen in diesem Kampf wirklich darum, andere zu „analysieren“ oder zu „bewerten“ (Tun das nicht eher diejenigen, die sie oft von oben herab kritisieren?), oder müssen sie nicht vielmehr gefährliche Lehren und Haltungen analysieren und bewerten, um in Christus und im Heiligen Geist dem Glauben der Kirche treu bleiben zu können, wofür in gesunden Zeiten eigentlich Priester und Bischöfe zu sorgen bestellt sind?
„95. Diese bedrohliche Weltlichkeit zeigt sich in vielen Verhaltensweisen … Bei einigen ist eine ostentative Pflege der Liturgie, der Lehre und des Ansehens der Kirche festzustellen, doch ohne dass ihnen die wirkliche Einsenkung des Evangeliums in das Gottesvolk und die konkreten Erfordernisse der Geschichte Sorgen bereiten. Auf diese Weise verwandelt sich das Leben der Kirche in ein Museumsstück oder in ein Eigentum einiger weniger. Bei anderen verbirgt sich dieselbe spirituelle Weltlichkeit hinter dem Reiz, gesellschaftliche oder politische Errungenschaften vorweisen zu können, oder in einer Ruhmsucht, die mit dem Management praktischer Angelegenheiten verbunden ist, oder darin, sich durch die Dynamiken der Selbstachtung und der Selbstverwirklichung angezogen zu fühlen. Sie kann auch ihren Ausdruck in verschiedenen Weisen finden, sich selbst davon zu überzeugen, dass man in ein intensives Gesellschaftsleben eingespannt ist, angefüllt mit Reisen, Versammlungen, Abendessen und Empfängen. Oder sie entfaltet sich in einem Manager-Funktionalismus, der mit Statistiken, Planungen und Bewertungen überladen ist und wo der hauptsächliche Nutznießer nicht das Volk Gottes ist, sondern eher die Kirche als Organisation. In allen Fällen fehlt dieser Mentalität das Siegel des Mensch gewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Christus, sie schließt sich in Elitegruppen ein und macht sich nicht wirklich auf die Suche nach den Fernstehenden, noch nach den unermesslichen, nach Christus dürstenden Menschenmassen. Da ist kein Eifer mehr für das Evangelium, sondern der unechte Genuss einer egozentrischen Selbstgefälligkeit.“
Auch hier gilt: natürlich können solche Verhaltensweisen auftreten, vielleicht sogar kombiniert, doch nicht die Pflege der Liturgie ist hier die Ursache, der eine solche Haltung ja völlig fremd ist.
Man soll die Geschichte nicht einfach auf den Kopf stellen, sondern ehrlich und offen hinsehen, wie sie sich wirklich ereignet hat. Die Ursache für den Kampf um den Glauben heute stellen kaum ein Hochmut oder Selbstsucht der am überlieferten Glauben interessierten Gläubigen dar, sondern die Angriffe auf den katholischen Glauben, auf die Ehrfurcht und auf die überlieferte Liturgie.
Solche Angriffe und die ungerechte Feindschaft gegenüber überliefertem Glauben und Kult sind in einem wahrhaft katholischen und an Jesus Christus und an Seiner Liebe orientierten Sinn nicht hinnehmbar (sie wären es nicht einmal in einer bloß kulturellen Haltung des sonst heute so hoch geschätzten „Denkmalschutzes“) und stellen die eigentliche Gefahr für die Kirche und ihre Einheit heute dar.
Will man wirklich die Liebe zu Christus fördern, so wird man die Not der Kirche heute nicht zerreden, sondern die Gefahren klar benennen und gerade hier im eigenen wie im gesamtkirchlichen Leben für Abhilfe zu sorgen!
Eine wahrhaft katholische Gesinnung ist nur in Treue zur Überlieferung des Glaubens in Wort und Werk möglich! Das kann natürlich nie ohne die Hilfe und Gnade Gottes und deshalb auch nur unter aufrichtigem und demütigem Gebet geschehen!
So wollen wir alle Ermahnungen, von welcher Seite immer sie kommen, demütig annehmen, Christus so in Demut und mit der Bereitschaft zur Unterscheidung der Geister nachfolgen, kritisch vor allem gegen uns selbst sein, aber auch die Gefahren für die Kirche nicht aus den Augen verlieren. Möge die Bereitschaft zur Umkehr in der Liebe Christi in diesem Sinne wachsen, in der wir uns auf die Feier der größten Geheimnisse unseres Glaubens vorbereiten. Nur so kann die Kirche wieder in vollem Glanz erstrahlen, nur so kann Christus allen, die Ihn lieben, in der Kraft Seiner Auferstehung neues Leben im Heiligen Geist schenken!

Thomas Ehrenberger

 

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